Ableismus

Der Begriff (engl. ableism) bezeichnet die strukturelle Diskriminierung von Menschen mit (zugeschriebener) Behinderung bzw. von Menschen, die behindert werden. Es wird eine deutliche Grenze zwischen Menschen mit und Menschen ohne Behinderung gezogen (Othering), die u. a. in Form von Produktivitäts-, Schönheits- und Gesundheitsnormen tief in der Gesellschaft verankert ist. Von den Diskriminierenden wird Ableismus oft nicht bewusst wahrgenommen oder als „gut gemeint“ angesehen. Dies kann sich z. B. in bevormundender Hilfe niederschlagen. Eine Behinderung, durch die Menschen mit Behinderung an der Entfaltung ihrer persönlichen Möglichkeiten be- bzw. gehindert werden, entsteht aber oft erst durch die Diskriminierung selbst, einerseits indem Eigenschaften und Bedürfnisse der Betroffenen durch Institutionen nicht mitgedacht werden, weil sie nicht unter das fallen, was gesellschaftlich als „normal“ definiert wird; andererseits weil ihnen notwendige Hilfen zur Kompensation ihrer physischen, psychischen oder gesundheitlichen Beeinträchtigung verwehrt oder nur in fremdbestimmter Form gewährt werden. Beispiele sind Barrieren wie Treppen statt Rampen für Rollstuhlfahrer*innen, fehlende akustische Ansagen für seheingeschränkte Menschen oder die mangelnde Inklusion im Bildungssystem. Auf diese Weise werden Menschen, die behindert werden, strukturell ausgeschlossen und „unsichtbar“ gemacht. Dies stabilisiert wiederum die gesellschaftlichen Vorstellungen von „normalen“ körperlichen, seelischen und gesundheitlichen Merkmalen.


Adultismus

Unter Adultismus (engl. adultism) wird die strukturelle Diskriminierung von Kindern und Jugendlichen auf der Grundlage ungleicher Machtverhältnisse zwischen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen verstanden. Handlungen und Haltungen, die auf der Hierarchisierung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sowie ihrer Handlungen, Bedürfnisse und Interessen beruhen, werden durch Normen (z. B. die Höherbewertung der Lohn- und Reproduktionsarbeit gegenüber dem kindlichen Spiel), institutionelle Arrangements, Gesetze, Traditionen und Gewohnheiten unterstützt. Adultismus äußert sich u. a. in Grenzüberschreitungen (z. B. ungefragtes Berühren), in der Sprache („Wir sind doch hier nicht im Kindergarten!“, „Trotzphase“), Nichtbeachtung (z. B. von Fragen) und körperlicher Gewalt. Aber auch in scheinbar selbstverständlichen Regeln, die zwar zum Schutz sinnvoll sein können, aber nur für Kinder oder Jugendliche gelten, kann sich Adultismus ausdrücken, wenn sie nicht für erklärungswürdig gehalten werden, weil vorausgesetzt wird, dass Kinder und Jugendliche zu gehorchen haben.

Im Konzeptpool der Vielfalt-Mediathek wird der Begriff ausführlich erklärt.


Afrodeutsch

Der Begriff „afrodeutsch“ wurde gemeinsam mit der US-amerikanischen Schriftstellerin Audre Lorde 1984 aus der Schwarzen Bewegung in Deutschland heraus entwickelt und diente ihr als politische Selbstbezeichnung. Kolonialrassistischen Fremdbezeichnungen, Vorstellungen einer homogenen weißen deutschen Gemeinschaft und der Verdrängung der deutschen Kolonialgeschichte wurde selbstbewusst die Haltung entgegengesetzt, dass Schwarze Menschen historisch und sozialisatorisch selbstverständlich zur deutschen Gesellschaft gehören. Durch die bewusste Anlehnung an „afroamerikanisch“ und den Bezug zur Black Power-Bewegung sollte der Begriff auch mobilisierend und einend wirken. Er umfasste ursprünglich Schwarze Menschen mit einem afrikanischen oder afroamerikanischen und einem weißen deutschen Elternteil. Da sich die afrikanischen Bezüge Schwarzer Menschen in Deutschland jedoch stark ausdifferenziert haben, ist der Begriff Schwarze Deutsche inzwischen verbreiteter.

Siehe auch Kolonialismus, People of Color und Weiß / Weißsein.


Alltagsrassismus

Der Begriff „Alltagsrassismus“ thematisiert das Zusammenwirken von individuellen Handlungen und gesellschaftlich-kulturellem Rassismus. Alltagsrassismus zeigt sich, wenn sich ein rassistisches Wissen über kulturell verankerte Zugehörigkeitsordnungen, Bilder und Vorstellungen unbewusst und/oder unbeabsichtigt z. B. in vermeintlich neutralen, positiven, oder neugierigen Fragen, Aussagen, Gesten, Handlungen und Blicken niederschlägt. Erstens ist also das Nebeneinander von „süßen und bitteren Worten“ für Alltagsrassismus charakteristisch. Es verschleiert seine Gewaltförmigkeit. Diese liegt zweitens darin begründet, dass Alltagsrassismen rassistisch diskreditierbare Menschen implizit aus dem „Wir“ ausweisen, indem sie anhand rassifizierter Merkmale (Aussehen, Sprache, Namen usw.) unabhängig von ihren individuellen Erfahrungen und Identifikationen als „Andere“ identifiziert und behandelt werden, z. B. durch übergriffige Handlungen wie das Berühren der Haare oder durch Komplimente für Deutschkenntnisse. Drittens ist Alltagsrassismus durch seine Regelmäßigkeit gekennzeichnet. Er erschüttert so permanent das Selbstbild der negativ Betroffenen, eine Erfahrung, deren Schwere häufig noch dadurch verstärkt wird, dass ihnen abgesprochen wird, Rassismus erfahren zu haben.


Altendiskriminierung

Altendiskriminierung ist eine Form von Altersdiskriminierung und kann ebenfalls als Ageismus bezeichnet werden. Sie beschreibt die strukturelle Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres zugeschriebenen höheren oder hohen Lebensalters sowie die Stigmatisierung des Alterns und des Altseins bspw. durch gesellschaftlich-kulturell vorherrschende Verbindungen mit Krankheit sowie körperlichem und geistigem Verfall.


Altersdiskriminierung

Altersdiskriminierung (engl.: Ageism, dt. auch: Ageismus) bezeichnet allgemein die Diskriminierung von Personen oder Gruppen aufgrund ihres zugeschriebenen Lebensalters. Altersdiskriminierung und Ageismus dienen in diesem Sinne als Oberbegriffe für Altendiskriminierung und Adultismus.


Anerkennung

Anerkennung bezeichnet den Prozess der Identifikation von Differenz, der wechselseitigen Achtung dieser Differenz und der Entwicklung von Möglichkeiten, wie Menschen und Kollektive als unterschiedliche Gleichwertige selbstbestimmt an gesellschaftlichen Prozessen und Ressourcen teilhaben können. Voraussetzung für selbstbestimmte Partizipation ist, dass Handlungen, Fähigkeiten, Erfahrungen, Interessen, Subjektpositionen und Eigenschaften von Menschen gesellschaftlich, institutionell und zwischenmenschlich gewürdigt werden. Die gegenseitige Anerkennung ist wesentlich für das gemeinsame Leben in Schule, Beruf, Freizeit usw. Haben Menschen aufgrund von Restriktionen, Stereotypisierungen, Anpassungs- oder Integrationsforderungen und Diskriminierung nicht die Möglichkeit, sich in ihrer Vielfalt zu zeigen und ihre Potenziale zu entfalten, können sie weder als Person oder Kollektive erkannt werden noch sich selbst (an)erkennen. Anerkennung, Identitätsbildung und gelingendes Zusammenleben sind also eng miteinander verschränkt. Wird Anerkennung verweigert, können daher Kämpfe um Anerkennung entstehen.


Antidiskriminierung

Mit Antidiskriminierung verbindet sich ein aktives Eintreten gegen Diskriminierung, sei sie direkter oder indirekter Art. Die Spannweite von Aktivitäten reicht hierbei von der gezielten Beratung, dem Empowerment, der Unterstützung von Menschen mit Diskriminierungserfahrungen und der Dokumentation von Diskriminierungsfällen über öffentlichkeitswirksame Kampagnen für Vielfalt und gleiche Rechte bis hin zu Gesetzen mit einklagbaren Bestimmungen zum Schutz vor Diskriminierung. Ein wichtiges Ziel von Antidiskriminierungsarbeit ist die Sicherung fundamentaler Menschenrechte.


Antifeminismus

Als Gegenbewegung zum Feminismus setzt der Antifeminismus seinen Fokus auf die Rechte und Privilegien von Männern* und Jungen. In Anlehnung an rechtspopulistische, konservative Theorien diffamieren Anhänger*innen des Antifeminismus emanzipatorische Forderungen und Errungenschaften von Frauen*. Sie blenden dabei bewusst aus, dass es ein historisch-kulturell geprägtes Machtgefälle zwischen Männern* und Frauen* gibt, das feministische Bewegungen mit ihren Forderungen herausfordern und bekämpfen. Z. B. sehen sie in der Frauenquote eine Benachteiligung von Männern, ohne anzuerkennen, dass diese positive Maßnahme andere, vielleicht weniger sichtbare Mechanismen der Diskriminierung ausgleichen soll. Antifeminismus richtet sich also auch gegen die Gleichstellung von Frauen* und Männern*.

Siehe auch Gender und Sexismus


Antijudaismus

Im Unterschied zum Antisemitismus, der ein genuin modernes Phänomen darstellt, werden unter Antijudaismus die vormodernen, religiös begründeten Formen von Zuschreibungen, Feindschaft, Ausschluss und Verfolgung von Jüd*innen verstanden, die sich speziell im antiken und mittelalterlichen Europa entwickelten. Als Merkmale des Antijudaismus werden genannt, dass erstens die Differenz zwischen Juden und Nicht-Juden z. B. durch Taufe als überbrückbar angesehen werde; dass zweitens die Auflösung der Differenz zwar durch Bekehrung oder Assimilation erwartet werde; aber drittens Christ*innen das Weiterbestehen der Differenz als Teil der göttlichen Vorsehung hätten ertragen können. Die traditionellen Stereotype des Antijudaismus fanden in modifizierter Form und Funktion Eingang in den Antisemitismus.  

Auch wenn diese Begriffsbestimmung und Unterscheidung bislang wissenschaftlich akzeptiert sind, stehen sie in der Kritik. Denn eine binäre Unterscheidung (Dichotomisierung) zwischen Juden und Nicht-Juden sowie die Befriedigung von Identitätsbedürfnissen der Ausübenden, wie sie für den Antisemitismus typisch sind, finden sich bereits in frühchristlichen Schriften. Wenn Antijudaismus und Antisemitismus also nicht anhand der religiösen Begründung und zeitlichen Einordnung unterschieden werden können, können unter Antijudaismus Formen des abwertenden Sprechens und Handelns über bzw. gegen „die Juden“ betrachtet werden, bei denen diese nicht zentral für das Selbst- und Weltverständnis der Äußernden sind. Da in diesem Sinne antijudaistische Äußerungen aber in der Gegenwart immer offen dafür wären, antisemitisch rezipiert zu werden, erscheint es zweifelhaft, ob eine solche Unterscheidung für die Analyse des gegenwärtigen Antisemitismus noch zielführend ist.


Antimuslimischer Rassismus

Antimuslimischer Rassismus (AMR) ist ein kulturalistisch argumentierender Rassismus, der sich gegen Muslim*innen und gegen Menschen richtet, die als Muslim*innen markiert sind, und zwar unabhängig davon, ob die Betroffenen tatsächlich den Islam praktizieren und wie religiös sie sind. Dem AMR liegt die Annahme einer grundsätzlichen und unvereinbaren Andersartigkeit von (vermeintlichen) Muslim*innen zugrunde. Die Markierung erfolgt durch äußere Merkmale wie z. B. religiöse Kleidung, Aussehen, Namen oder Staatsangehörigkeit. Aus ihnen werden eine „ethnisch“ gefasste Herkunft (Ethnizität), eine „Abstammung“ und eine religiöse und kulturelle Zugehörigkeit abgeleitet und einem „Wir“ (z. B. „den Deutschen“, „der deutschen Kultur“, „der christlich-abendländischen Kultur“ usw.) als Gegensatz gegenübergestellt (Othering). An die so erzeugten Kategorien werden weitere historisch verankerte Fremdzuschreibungen (Stereotypisierungen) geknüpft (z. B. Sicherheitsrisiko, „Rückständigkeit“, „Unzivilisiertheit“, „Integrationsunfähigkeit“). Sie werden in deterministischer Weise auf Individuen übertragen, um ihr Verhalten zu erklären, soziale Ungleichheiten, Ausschlüsse und Dominanz zu rechtfertigen, die Privilegien der jeweiligen Wir-Gruppe aufrechtzuerhalten und eine auf Homogenität ausgerichtete nationale Gemeinschaftskonstruktion zu stabilisieren. Wie Rassismus findet also auch AMR immer im Kontext ungleicher Machtverhältnisse statt.  

Siehe auch Islamfeindlichkeit, Islamophobie, Kultur, Kulturalisierung, Kulturalismus, Neorassismus und Rassifizierung


Antiromaismus

Der Begriff wurde von Romani-Aktivist*innen geprägt, um eine Alternative zum Begriff „Antiziganismus“ zu formulieren. Die Bezeichnung „Antiromaismus“ – wie auch andere Begriffe für Gadje-Rassismus, die die Eigenbezeichnungen Sinti*zze und/oder Rom*nja verwenden – wird jedoch kritisiert. Denn sie legt erstens den Eindruck nahe, es gebe eine „ethnisch“ homogene Gruppe von Betroffenen, aus deren vermeintlich realen Eigenschaften Gadje-Rassismus resultiere. Zweitens widerspricht der Eindruck „ethnischer“ Homogenität der Tatsache, dass auch Personen und Gruppen, die sich nicht als Sinti*zze oder Rom*nja identifizieren, z. B. Jenische, von Gadje-Rassismus betroffen sind und waren.


Antisemitismus

Antisemitismus basiert auf einer doppelten Unterscheidung. Die Wir-Gruppe wird zunächst als „Volk“, „Staat“, „Nation“, „Rasse“, „Identität“, „Kultur“ oder Religion von anderen „Völkern“, „Staaten“ usw. unterschieden. Diese Einheiten werden in einer antisemitischen Logik immer als wesenhafte, einheitliche und harmonische Gemeinschaften verstanden. „Die Juden“ werden ihnen dann als Gegenprinzip gegenübergestellt. Durch eine entsprechende Stereotypisierung werden „die Juden“ für alle verunsichernden und als negativ empfundenen Umstände politischer, ökonomischer und kultureller Modernisierungsprozesse verantwortlich gemacht und werden ihnen die Bedrohung und „Zersetzung“ jener als ursprünglich imaginierten Gemeinschaft(en) zugeschrieben. Daraus ergeben sich der Glaube an eine in Gut und Böse eingeteilte Welt, an das Wirken verborgener Mächte und Verschwörungen als weitere Grundelemente des Antisemitismus. Da „die Juden“ in dieser Logik die personifizierte Bedrohung darstellen, sind dem Antisemitismus außerdem die Umkehr von Opfern und Täter*innen und die Diskriminierung – bis zur Vernichtung – von Menschen, die als „Juden“ markiert werden, – auf interaktionaler, institutioneller und gesellschaftlich kultureller Ebene – eingeschrieben. Antisemitische Stereotype rechtfertigen diese Diskriminierungen. Als wichtige Formen von Antisemitismus werden in verschiedenen Typisierungen unterschieden: christlicher, rassistischer, sekundärer, israelbezogener und NS-vergleichender Antisemitismus bzw. antizionistischer und islamistischer/islamisierter Antisemitismus.  

Siehe auch Antijudaismus, Nationalismus und Rassismus


Antiziganismus

Die Verwendung des Begriffs „antizyganizm“ ist erstmalig für die späten 1920er und 1930er Jahre in der damaligen Sowjetunion belegt. Der Begriff diente staatlichen Stellen und Romani-Aktivist*innen dazu, die alltägliche Diskriminierung von Rom*nja zu benennen und zu kritisieren. Zwar entstand aufgrund von Kontakten in die Sowjetunion im Englischen die Bezeichnung „anti-Gypsyism“, die für das Jahr 1935 nachgewiesen ist, allerdings hatte dieser Entwicklungsstrang keinen über die 1930er Jahre hinausgehenden Einfluss.  

In Deutschland wurde „Antitsignanismus“ dem derzeitigen Kenntnisstand zufolge zuerst 1981 in Veröffentlichungen des Projekts „Tsiganologie“ der Universität Gießen verwendet. Die Tsiganologie hatte die Funktion, antiziganistische Zuschreibungen wissenschaftlich zu rechtfertigen. Mit Blick auf den Völkermord an den europäischen Rom*nja und Sinti*zze während des Nationalsozialismus bestritt Bernhard Streck, ein Mitarbeiter des Projekts, dementsprechend mit seiner Begriffsbildung, dass es eine rassistische Ideologie gegeben habe, die dem Völkermord zugrunde gelegen habe. Deshalb setzte er „Antitsiganismus“ in distanzierende Anführungszeichen gesetzt. Gleichzeitig schrieb er den Verfolgten und Ermordeten selbst die Verantwortung für ihre Verfolgung zu, indem er behauptete, der NS-Staat habe mit seinen Verfolgungsmaßnahmen lediglich auf reale „Missstände“ reagiert.  

In Abgrenzung zu dieser rassistischen Begriffsvariante haben Wissenschaftler*innen und Selbstorganisationen einen rassismuskritischen Antiziganismus-Begriff entwickelt. Antiziganismus wird verstanden als strukturelle Diskriminierung und als spezifische Form von Rassismus gegenüber Menschen, die als „Zi.“ stigmatisiert werden. Wie bei anderen Rassismen liegen die Ursachen für Antiziganismus in der Verfasstheit der modernen Gesellschaft (Weitere Infos zum Inhalt dieses Begriffs bietet der Eintrag zu Gadje-Rassismus). Gegenüber Begriffsalternativen wie Antiromaismus, Romaphobie (siehe auch Xenophobie) oder Rassismus gegenüber Sinti*zze und Rom*nja hat Antiziganismus verschiedene Vorteile (siehe dazu Antiromaismus). So macht er u. a. präziser als jene Begriffe deutlich, dass die Betroffenengruppe nicht natürlich gegeben ist, sondern erst durch Diskriminierung sozial hergestellt wird.  

Nachdem die Europäische Union den Begriff in den frühen 2000er Jahren in verschiedene Beschlüsse und Dokumente aufgenommen hatte, gilt er inzwischen in Wissenschaft und Öffentlichkeit als weitgehend etabliert und wird auch vom Zentraltrat deutscher Sinti und Roma offiziell verwendet. Seine Etablierung ging einher mit einer erhöhten Aufmerksamkeit für den Völkermord an den europäischen Sinti*zze und Rom*nja in der Bundesrepublik, für die lange ignorierten Ansprüche der Überlebenden und für den nach dem Nationalsozialismus weiter in der Bundesrepublik vorherrschenden Gadje-Rassismus.  

Trotz seiner Leistungen und weiten Verbreitung bemängeln einige Romani-Wissenschaftler*innen und -Aktivist*innen, dass sich in dem Begriff Antiziganismus die diskriminierende Fremdbezeichnung „Zi.“ wiederhole. Dies könne dazu führen, dass diese Fremdbezeichnung an neuer Legitimität gewinne und sich wieder stärker verbreitn, obwohl sie vom weit überwiegenden Teil der Betroffenen als Selbstbezeichnung abgelehnt werde. Dies könne zur Reproduktion rassistischer Zuschreibungen und zu neuen Verletzungen führen, da die Fremdbezeichnung aufs engste mit abwertenden Stereotypen, Ablehnungen, Verfolgungen und Vernichtung verknüpft ist, die die Betroffenen auch heute noch erleben (Aus diesem Grund wird die Fremdbezeichnung in diesem Glossar nur in abgekürzter Form und in Anführungszeichen verwendet.). Darüber hinaus, so wird kritisiert, ist der Begriff Antiziganismus stark mit der Diskurshoheit weißer Wissenschaftler*innen verbunden.


Asyl

In Deutschland haben Menschen nach Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes das Recht, Asyl zu beantragen. Menschen erhalten Asyl in Deutschland mit einer Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre, wenn sie wegen ihrer „Rasse“, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (z. B. als Homosexuelle) in ihrem Herkunftsland einer schweren Menschenrechtsverletzung ausgesetzt sind. Internationalen Schutz als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention mit einer Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erhalten sie gemäß § 3 Asylgesetz, wenn eine begründete Furcht vor Verfolgung aus den genannten Gründen vorliegt. Subsidiärer Schutz nach § 4 AsylG wird gewährt, wenn Menschen in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht, z. B. die Androhung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder Bedrohung durch willkürliche Gewalt in einem bewaffneten Konflikt. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 mit einer Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr gilt, wenn die Abschiebung in den Herkunftsstaat die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten verletzen oder dadurch eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit bestehen würde. Geflüchtete sind in Deutschland in vielfältiger Weise institutionellem Rassismus ausgesetzt und dadurch in ihren Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe eingeschränkt.  

Siehe auch Flucht und Migration


Ausländerpädagogik

Die Ausländerpädagogik entstand zu Beginn der 1970er Jahre. Adressat*innen waren in den Anfangsjahren als „Gastarbeiterkinder“ und ab den 1980er Jahren als „Ausländerkinder“ titulierte Kinder. Kennzeichnend für die ausländerpädagogische Haltung war die Wahrnehmung dieser Kinder als defizitär, als pädagogisches Problem und als Störfaktor für die organisatorischen, didaktischen und methodischen Routinen der Bildungseinrichtungen. Die Maßnahmen in Form von segregativen Beschulungspraxen zielten lediglich auf eine „Integration auf Zeit“ ab. Die mangelnde Effektivität der entsprechenden Fördermaßnahmen wurde auf vermeintliche Defizite der Kinder in der sozialen Integration zurückgeführt – die wiederum durch das familiäre Umfeld und dessen als defizitär und dysfunktional betrachtete „fremde Kultur“ erklärt wurden. Im ausländerpädagogischen Paradigma, das auf Anpassung, Assimilation und Homogenisierung ausgerichtet war, spiegelten sich das nationalstaatliche Selbstverständnis der deutschen Schule und die Negierung der faktisch existierenden sprachlich-kulturell-religiösen Heterogenität (u. a. durch Migration) wider. Trotz zahlreicher Kritikpunkte sind ausländerpädagogische Ansätze auch heute noch in der pädagogischen Praxis wirksam.  

Siehe auch Interkulturelles Lernen, Migrationspädagogik, Nation, Nationalismus, Rassismus  

Einen ausführlichen Artikel zum Thema inkl. weiterführender Literatur finden Sie im Konzeptpool der Vielfalt-Mediathek.


Aussiedler*innen

Als Aussiedler*innen werden nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Bundesvertriebenengesetzes deutsche Staatsangehörige und deutsche „Volkszugehörige“ bezeichnet, die die Aussiedlergebiete (das sind die ehemaligen deutschen Ostgebiete, Danzig, Estland, Lettland, Litauen, die ehemalige Sowjetunion, Polen, die ehemalige Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, das ehemalige Jugoslawien, Albanien oder China) vor dem 1. Juli 1990 bzw. dem 1. Januar 1993 verlassen haben und in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind.  

Siehe auch Ethnie, Ethnizität, Spätaussiedler*innen und völkischer Nationalismus